Die Hausgeburt – Erfahrungen von “der anderen Seite”
Kurz zum Hintergrund: ich bin heute Abend, da ich beginne, diesen Text zu verfassen, vor die Wahl gestellt, entweder die schon längst fällige Steuererklärung fertig zu machen oder einen Erfahrungsbericht zum Thema Hausgeburt zu schreiben. “Erst die Arbeit, dann das Vergnügen” denke ich mir und fange daher gleich mit dem Bericht an…
Wir haben mittlerweile eine klassische Kranken-”hausgeburt” und drei echte Hausgeburten unterschiedlichster Ausprägung gemeinsam durchlebt, so dass ich mir einbilde, auch von väterlicher Seite ein paar Erfahrungen mitteilen zu dürfen. Ich möchte in den kommenden Zeilen aber auch nur für mich selbst und meine ganz persönlichen Eindrücke sprechen. Es sei ebenso angemerkt, dass ich die Entscheidung eines jeden für die Wahl des Geburtsorts (zumindest was die Planungsphase betrifft – danach passiert’s eh dort, wo’s passiert) respektiere. Bei uns war nun mal nach der Erstgeburt in der Klinik die Geburt daheim die präferierte Methode.
Kurz gesagt: daheim ist’s am schönsten. Für mich als immer mal wieder werdenden bzw. gewordenen Vater fängt das mit ganz praktischen Gesichtspunkten an: wir wohnen ca. 20km vom Krankenhaus entfernt, da ist der Transport einer bemerkenswert leidensfähigen aber dennoch hochschwangeren Frau über nicht gerade perfekte Straßen schon mal weit vom Entspannungsgrad einer sonntäglichen Spazierfahrt entfernt. Und wenn’s dann, wie bei unserer allerersten Geburt, etwas dauert, darf “Mann” zwischendurch wieder heimfahren, um in merklicher Anspannung die Hunde zu versorgen. Anschließend geht’s wieder in die Klinik etc. Rein logistisch also nicht gerade optimal. Dieser Zustand ändert sich nach der Geburt auch nicht sofort, da Frau und Kind ja erstmal ein paar Tage “einbehalten” werden.
Das Krankenhaus selbst bietet mit seinen festen Abläufen die Flexibilität einer mittleren Verwaltungsbehörde, und auch wenn alle immer sehr freundlich und bemüht sind, ist man doch nie der eigentlich agierende Teil. Was man tut oder lässt, wird nicht zuletzt durch die Rahmenbedingungen des Klinikbetriebs bestimmt.
Bei einer Erstgeburt hat das Krankenaus aus Sicht des Begleiters aber auch gewisse Vorteile: “die” (vom Krankenhaus) machen das ja nicht zum ersten Mal, und wenn man schön mitmacht, kann sicherlich nichts schiefgehen bzw. wird das, was schiefgehen kann, schon gerichtet werden. Also von diesem Aspekt her eine recht komfortable Angelegenheit. Im Nachhinein – und mit der Erfahrung aus den Folgegeburten – merkt man aber, dass mitunter keine richtige Entspannung bei den eigentlich Agierenden (Kind und Frau) aufkommt. Damit aber genug vom Krankenhaus und zurück ins Eigenheim.
Wir, d.h. meine bessere Hälfte und nahezu spontan auch ich, hatten also für das zweite Kind beschlossen, es daheim zu versuchen. Aus oben erwähnten logistischen Gründen war ich dem Ganzen nicht abgeneigt und neuen Dingen bin ich von Berufs wegen ohnehin stets aufgeschlossen. Also sollte es eine Hausgeburt werden. Und was für eine!
So richtig konkret wurde das bis dahin abstrakte und nur aus diverser Mitlese-Literatur bekannte Thema für mich mit dem Vorgespräch und den Hinweisen zu Ablauf und Risiken der Hausgeburt. Das Ganze schien überschaubar. Danach begann die Rufbereitschaft und wir ließen uns von Kick auch noch ihren tollen aufblasbaren Pool zur Verfügung stellen. Dieser sollte, gemäß der Planung, ein bisher vermisstes Highlight im Geburtsablauf darstellen. Für eine zügige Füllung im “Ernstfall” entschied ich mich, ihn per Schlauch an unsere Warmwasserversorgung im Garten anzuschließen. Alles war somit bestens durchgeplant, der Pool wurde ein paar Tage vor dem erwarteten Termin aufgeblasen und in einem unserer Zimmer bereitgestellt, das Notfallpaket wurde gepackt (falls man doch ins Krankenhaus müsste), Babykleidung zurecht gelegt und so weiter. Alles bestens.
Tja, und dann kam der frühe Morgen, an dem ich mit einem “ich glaube, es geht los” geweckt wurde. Also, erstmal was anziehen, dann runter, Gartenschlauch andrehen, um das Wasser im Pool “angenehm” zu gestalten, anschließend wieder rein, um nach dem Rechten zu sehen. Meine Frau hatte zuvor auch schon Kick mit demselben und überaus entspannt klingenden “ich glaube, es geht los” telefonisch Bescheid gegeben, so dass nirgendwo der Eindruck von Eile entstand. Der kleine Fehler war allerdings, dass sie dies im ersten Stock getan hatte und danach die Treppe wieder herunterkam. Dabei “rutschte” unser Nachwuchs wohl erheblich weiter seinem Ziel entgegen als erwartet, so dass aus dem entspannten Warten auf Kick eine immer weiter voranschreitende Geburt wurde.
Der mit viel Mühe aufgeblasene und mittlerweile langsam voller werdende Pool forderte allerdings in einem äußerst unpassenden Moment auch dazu auf, nicht ganz in Vergessenheit zu geraten, indem draußen der Heisswasserschlauch wegplatzte und sich unser Boiler ebenso zügig wie stetig in die freie Natur entleerte. Für ein Dampfbad wäre das eine eindrucksvolle Kulisse gewesen. Vor die Wahl gestellt, draußen das Wasser abzudrehen oder meiner Frau bei der nun merklich vorangeschrittenen Geburt weiter zur Seite zu stehen, entschloss ich mich auf ihr “Anraten” hin, doch bei ihr zu bleiben und dem in anderen Situationen durchaus entspannenden Plätschern des Wassers keine weitere Beachtung zu schenken. Wir hatten ja Besseres zu tun.
Kurz gesagt: erst kam unser Sohn auf die Welt, fünf Minuten später kam Kick und anschließend wurde auch dem Boiler wieder etwas Aufmerksamkeit gewidmet. Wir hatten also von dieser Hausgeburt einen deutlich authentischeren Eindruck bekommen als zunächst erwartet. Der Rest lief dann routinemäßig ab. Kick und die danach ebenfalls eingetroffene Swantje kümmerten sich um Frau und Kind. Es war alles zwar sehr flott aber eben auch glatt verlaufen. Anschließend gab’s noch ein paar Stücke Geburtstagskuchen, denn – und da sind wir wieder beim praktischen Aspekt der Sache – unser Sohn kam genau am Geburtstag meiner Frau auf die Welt, d.h. der bereits am Vortag gebackene Kuchen stand termingerecht für alle zur Verfügung.
Das schönste jedoch war, dass wir alle beisammen waren und von Anfang an die um ein Mitglied gewachsene Familie in entspannter Atmosphäre und ohne irgendeine Störung von außen genießen konnten. Meine erstgeborene Tochter kam später auch noch dazu als “das Gröbste” vorbei war, und sie war lange Zeit der Überzeugung, dass unser Sohn von Swantje mitgebracht worden war. Sie war es nämlich, die ihn auf dem Arm hatte, als unsere Tochter gerade ins Wohnzimmer kam.
In den Tagen nach der Geburt wurde im Garten noch der obligatorische Baum für den neuen Erdenbürger gepflanzt, natürlich nicht ohne dabei die Plazenta als “Fundament” mit eingegraben zu haben.
An dieser Stelle noch ein Einschub für die praktisch denkenden und der Ordnung und Hygiene zugeneigten Väter: im Vorfeld habe ich mir natürlich auch so meine Gedanken gemacht, wie groß die “Sauerei” wohl werden kann. Mein Tip: Bodenfliesen oder Laminat sind nicht unpraktisch, dann ist auch schnell “zammgwischt”. Nein, Scherz beiseite: es kommen vielleicht ein, zwei Maschinen Wäsche und ein Sack Müll mehr zusammen, aber das war’s dann auch schon. Eine Grundrenovierung der Räumlichkeiten ist zu keinem Zeitpunkt angesagt. Lüften kann allerdings nicht schaden!
Festzustellen bleibt, dass die gesamte Atmosphäre unserer ersten Hausgeburt inkl. der Zeit danach (bis auf den etwas hektischen Beginn) von genügend Harmonie und Entspannung geprägt war, so dass wir uns von Kick und Swantje beim Abschlussgespräch dann auch gleich mit einem “bis zum nächsten Mal” verabschiedeten.
Das nächste Mal kam etwas über zwei Jahre später und es verlief ganz anders. Vor dem Hintergrund der Erfahrungen mit der ersten Hausgeburt hatte ich gegen den aufblasbaren Pool bereits im Vorfeld mein Veto eingelegt, so dass die Logistik nochmal einfacher wurde. Der Tag der Geburt kam, fiel diesmal jedoch leider nicht mit einem anderen kuchenbringenden Ereignis zusammen. Ob dies allerdings der Grund war, warum sich die Geburt deutlich in die Länge zog, wage ich zu bezweifeln. Auf jeden Fall waren Kick und Ute rechtzeitig da und wir warteten gemeinsam auf das “Finale”.
Hier kam wieder ein äußerst positiver Aspekt der Hausgeburt zu tragen: wenn man schon warten muss, dann doch am besten zu Hause, zumal sich dort auch die beiden bereits präsenten Kinder optimal versorgen lassen.
Die von unserer ersten Hausgeburt gewohnte, zügige Entspannung ließ weiter auf sich warten und erst nachdem ich mit den beiden Kindern etwas außer Haus gegangen war, kam die letzte Phase der Geburt am Nachmittag in Gang. Somit durften wir unseren Neuankömmling nach der Rückkehr vom Spaziergang in die Arme nehmen. Ich hatte es also irgendwie “verpasst” (damit stand’s jetzt quasi 1:1 zwischen Kick und mir), wobei meine Frau aber sicherlich auch lieber beim Eisessen im Dorf gewesen wäre anstelle sich ihren Wehen zu widmen.
Das Wichtigste aber war: wir waren von Beginn an alle beisammen und konnten einen gemeinsamen Rhythmus finden. Die Geschwister waren sofort in alles involviert und konnten ihren kleinen Bruder vom ersten Tag an intensiv erleben. Das Pflanzen eines neuen Baums auf Basis der Plazenta stellte dann auch wieder den Abschluss der Geburt dar.
Dass wir uns von Kick und Ute wieder mit dem gewohnten “bis zum nächsten Mal” verabschiedeten, war eigentlich nur ein verbaler Ausrutscher. Aber wenn man’s schon mal gesagt hat, dann sollte man wenigstens auch konsequent sein.
Daher hatten wir vor nunmehr vier Wochen unsere dritte Hausgeburt. Diese verlief genau so, wie ich’s mir in meiner anfänglichen Naivität schon für die erste Hausgeburt vorstellt hatte: kein Pool (ich weigerte mich wieder); Kinder rechtzeitig von den den Großeltern abgeholt; Kick und Ute rechtzeitig da; etwas Vorlauf bis zur Geburt; dabei, wenn das Kind kommt; selber die Nabelschnur “kappen”; Kinder zurück von Oma und Opa, und dann: die gemeinsame Zeit genießen. Perfekt!
Das Einzige, was noch bleibt, ist das Pflanzen eines weiteren Baums unter Zugabe der Plazenta. Dies wird allerdings erst im Frühjahr stattfinden, und solange passen wir beim Griff in die Gefriertruhe auf, nicht das falsche gute Stück herauszuholen, wenn’s ans Kochen geht. Wobei das Fondue an Silvester eigentlich eine gute Gelegenheit wäre, unseren Gästen mal eine neue geschmackliche Erfahrung zu bieten…
Nachdem man aufhören soll, wenn’s am Schönsten ist, war das wohl auch unsere letzte Geburt (so definitiv man sowas im Vorfeld sagen kann). Kick und Ute haben von uns zumindest nichts gehört, was auch nur ansatzweise auf etwas anderes hindeuten könnte.
Für mich gilt: alle drei Geburten daheim haben bestens gepasst und waren deutlich mehr als nur eine Alternative zu anderen Orten. Es waren, ganz einfach, Geburten, die uns “getaugt” haben. Auch ist es, zumindest für mich, nicht der eigentliche Geburtsvorgang, durch den sich der Unterschied ergibt. Es ist das Wissen, nicht von zu Hause weg zu müssen und es ist vor allem die Zeit unmittelbar nach der Geburt. Es ist die Bewahrung des gewohnten Umfelds, die Entspannung und Sicherheit der heimischen Atmosphäre, und für das neue Familienmitglied ist es einfach das unmittelbare Ankommen daheim. Warum woanders haltmachen, wenn dieselbe Straße auch direkt nach Hause führen kann?
Nun aber ran an die Steuererklärung…