Bericht einer Hausgeburt

Nach einer leider sehr traumatischen ersten Krankenhausentbindung im Januar 2021 war mir sehr schnell klar, dass die nächste Entbindung, sollte uns noch ein Kind geschenkt werden, zuhause stattfinden soll. Ich habe einige Freundinnen, die auch zuhause entbunden haben und habe mir deren Erfahrungen angehört. Des Weiteren habe ich unzählige Bücher, Geburtsberichte, Erfahrungsberichte, Hebammenlektüre, usw. über Hausgeburt, natürliche Geburt und auch zum Thema Alleingeburt wahrlich verschlungen.
Am 21.02.2023 war es dann endlich so weit. Tags zuvor habe ich noch die Wohnung geputzt. Das war mir wichtig, dass alles sauber und schön ist, dass ich mich wohlfühle. Nach einer wirklich guten Nacht (ist mit unserer zweijährigen nicht immer so selbstverständlich, die tut sich mit dem Schlafen leider etwas schwer) bin ich um 6:30 Uhr aufgewacht und habe kurz darauf eine erste Wehe verspürt. Freudig dachte ich, wie schön, heute könnte es endlich so weit sein. Ich habe noch etwas gewartet und dann kam auch 10-15 Min später wieder das bereits bekannte Ziehen. Unsere Kleine wachte auf und ich frühstückte mit ihr und zog sie an.


Um 8:15 Uhr rief ich meine Hebamme Ute an, um ihr zu berichten, dass es heute so weit sein könnte. Wehen alle 8-10 Minuten, ich kann gut damit umgehen, sie braucht nicht extra zu kommen. Wir telefonierten kurz darauf noch einmal und vereinbarten, dass ich die Hebamme Magdalena als erstes kontaktieren sollte, da diese jederzeit, problemlos und schnell wegkann und Ute für Ihren Jüngsten noch eine Betreuung besorgen musste.
Unsere Tochter brachte ich zu meinen Eltern. Sie wohnen im selben Haus und die Kinder meiner Schwester waren dort zu Besuch. Da brauchte ich meine Kleine nicht zu überreden, sie liebt die anderen Kinder und war sofort einverstanden, dass sie auch bei Oma und Opa bleibt.
Ich habe derweil meinen Mann geweckt, alles sauber gemacht, hergerichtet, Verpflegung für die Hebammen bereitgestellt, mit meinem Mann den Pool aufgebaut, usw. An Stillhalten, wie ich im Onlinekurs der friedlichen Geburt gelernt hatte, war kein Denken. Ich musste „wurschteln“ und alles so herrichten, wie ich mir das vorstellte. Gegen 10:30 Uhr rief ich bei Magdalena an. Die Wehen kamen nun alle 4-5 Minuten. Ich sagte ihr, dass noch kein Stress bestünde und ich sie noch gut veratmen kann. Dann duschte ich heiß und das schien den Vorgang noch zu beschleunigen. Um 11:15 Uhr rief ich Magdalena noch einmal an und bat sie, sich doch auf den Weg zu machen, da ich wusste, dass sie etwa eine dreiviertel Stunde brauchen würde.
Währenddessen veratmete ich die Wehen auf dem Pezziball, mit Beckenkreisen und wir ließen den Pool ein. Ich setzte mich gegen 12 Uhr hinein und fühlte mich sofort wohl. Entspannung durchzog meinen Körper und ich konnte ich paar Minuten wirklich genießen. Bis die nächste Wehe kam. Mittlerweile waren sie echt heftig und ich tönte schon ordentlich. Instinktiv ging ich in die Pferdeatmung über und besann mich noch einmal darauf, jede Welle positiv zu sehen und zu begrüßen und mir eine sich öffnende Rose vorzustellen. Ich brauchte etwas, um eine Haltung zu finden, in der ich mit den Wehen umgehen konnte. Schließlich kniete ich mit gespreizten Beinen im Becken und bog meinen Oberkörper nach vorne und hinten.

Gegen 12:20 Uhr kam dann endlich auch Hebamme Magdalena, wir hatten schon die Befürchtung, dass sie wegen des Faschingszuges nicht mehr durchkommen könnte. Zwei Wehen prustete ich in mittlerweile gewohnter Weise im Pool. Magdalena checkte den Herzschlag des Babys und sagte noch so: „Ach, der ist noch so weit oben.“ Was mich etwas erschreckte, denn ich dachte mir, wenn das noch lange so geht, dann halte ich das nicht aus! Eine vaginale Untersuchung lehnte ich ab. Ich wollte keine weitere Enttäuschung.
Sie fragte noch, ob sie die Vorhänge schließen solle, da es ein sehr schöner, sonniger Tag war, aber ich lehnte ab und sagte. „Bisher stört es mich nicht.“ Ich fand es total schön. Die Stimmung war so positiv. Sonnig. Warm.
Dann wurde es schlagartig heftiger und sie kam zu mir und massierte mir den Rücken, was ich als sehr wohltuend empfand. In einer heftigen Wehe merkte ich, wie etwas aus mir herausfloss. Es war die Fruchtblase geplatzt. Nun verschwimmt meine Erinnerung etwas. Es ging alles auf einmal rasend schnell. Ich spürte, wie der Kopf ins Becken rutschte und wurde von Schmerzen förmlich überschwemmt. Ich hing mit den Armen über den Poolrand und alles kribbelte und wurde taub. Zunächst der Bereich um den Mund und mein Intimbereich. Dann meine Arme und Hände. Ich hatte einen unwiderstehlichen Pressdrang und gleichzeitig solche Schmerzen, als würde ich auseinanderbrechen. Magdalena versuchte ein-, zweimal, die Herztöne des Babys zu hören, aber ich konnte weder eine Sekunde stillhalten, noch hielt ich den Druck des Doptons aus. Dann weiß ich noch, dass ich unglaubliche Schmerzen hatte, ich habe so etwas noch nie gefühlt, bei der ersten Entbindung war ich durch die PDA regelrecht „todgespritzt“ und habe gar nichts gefühlt.

Magdalena sagte, ich könne mitschieben, wenn ich möchte. Ich presste so fest ich konnte. Es fühlte sich in etwa so an, als würde man einen riesigen Stein ausscheiden. Ich war mir sicher, dass auch aus dem Darm etwas rauskommen musste. So ausgefüllt war mein Becken. Der „Stein“ war natürlich der Kopf des Babys und ich schrie was das Zeug hielt. In dem Moment war es mir egal, es diente scheinbar zur Stressreduktion, aber im Nachgang muss ich gestehen, dass ich selbst überrascht bin, welche krassen Laute und Schreie ich losgelassen habe. Ich fand es fast tierisch. Eine Urgewalt. Ich wusste nicht mehr wohin mit mir und meinem Körper, diesem unsäglichen Schmerz. Das tat ich auch kund und ich wurde panisch, weil es nicht aufhörte, weil ich nicht mehr „runterkam“ von den Schmerzen, keine Sekunde mehr Entspannung fand. Magdalena sagte, ich solle mich entspannen und ich schrie: „Helft mir, was soll ich machen, wie hört das auf?“ Atmen, atmen, schau mich an, Atmen, Pferdeatmung, ich bekam es mehr oder weniger ein kleines bisschen hin, aber dann kam schon wieder die nächste Welle. Kurz darauf, ich dachte, ich muss sterben, ich halte das nicht mehr lange aus, war das Köpfchen schon spürbar. Magdalena sagte es mir, ich fühlte es mit den Händen. Ich schrie: „Raus, raus, der soll endlich raus.“ und bearbeitete den Pool mit den Fäusten. Noch eine irre Welle mit Schreien und Pressen und ich spürte, dass der Kopf ganz da war.

Irgendwann in den letzten Minuten vor der endgültigen Geburt kamen auch Ute und die Studentin Anna. Aufgrund meiner lauten Schreie hörten wir die Klingel gar nicht. Meine Mutter ließ sie bei der Tür rein.
Als das Köpfchen um 12:49 Uhr da war, trat ein ganz kurzer Moment der Entspannung ein. Magdalena fasste zwischen meine Beine. Ich hing immer noch mit den Armen über dem Poolrand und bettelte sie an: „Nicht ziehen, nicht ziehen.“ Dabei zog sie gar nicht am Köpfchen, sondern das Baby drehte sich mit den Schultern durch den Geburtskanal. Eine heftige Wehe, Schreien und unser Baby kam um 12:51 Uhr im Wasser zur Welt.
Ich war überglücklich, erleichtert, ich hatte es aus eigener Kraft geschafft (habe zwischendrin tatsächlich daran gezweifelt, wünsche mir für eine Sekunde vielleicht sogar eine PDA, obwohl ich ja nie ins Krankenhaus wollte). Sie gaben mir meinen Jungen durch die Beine hindurch in die Arme und ich setzte mich mit ihm in den Pool und kam erst einmal an. Unserem Buben wurden Handtücher gebracht und ich wärmte ihn mit meinem Körper. Welche Entspannung. Nur Sekunden nachdem ich gefühlt gestorben bin, war alles wieder gut. Ich saß da, sah ihn an. Er war blau und schrie einmal kurz, aber dann atmete er nicht sofort. Sie stimulierten ihn etwas und dann endlich, noch ein Schrei. Der Körper wurde bald rosig, aber der Kopf blieb blau-lila. Eine Stauung im Kopf meinten sie. Alles gut, alles normal, das vergeht bald.
Wir plantschten noch etwas und ich begrüßte erst einmal die spät Dazugekommenen. Eigentlich sollte die Plazenta auch im Wasser kommen, aber nach ca. 20 Minuten wollte ich dann doch raus.
Das Badewasser war erstaunlich sauber. Es schwammen schon weiße Fetzen darin herum, ich denke, Fruchtwasser usw. Auch ein dunkler Schlauch Mekonium war im Wasser. Das muss er zum Schluss noch ausgeschieden haben.
Ich legte mich auf die Couch und der Kleine begann sich von allein auf die Suche nach der Brustwarze zu machen. Er brauchte etwas, fand aber dann, was er suchte und nuckelte munter drauf los.
Schön langsam begann die Gebärmutter wieder zu arbeiten und die Plazenta auszuscheiden. Ich fragte noch, ob das wieder so wehtun würde, aber ich wurde beruhigt. Es war auch nicht schlimm. Kurz unangenehm, die Wellen, aber nichts im Verhältnis zu den Gefühlen zuvor.
Magdalena setzte sich sogar neben mich und zeigte und erklärte mir die Plazenta. Alles war vollständig und wunderbar.
Irgendwann, bestimmt eine Stunde später oder so, durfte mein Mann noch die Nabelschnur durchschneiden. Auf meinen Wunsch. Ich war so weit. Diese Art der Verbindung brauchten wir nicht mehr.
Die Plazenta durften wir behalten. Wir werden im Frühjahr ein Obstbäumchen darauf pflanzen.
Die Hebammen waren ganz entspannt und saßen am Küchentisch, bedienten sich an den bereitgestellten Süßigkeiten und füllten die Protokolle aus. Es war eine friedliche und fröhliche Stimmung und es schien alles so alltäglich. Ich fühlte mich in jeder Sekunde wohl und geborgen. Dahoam is dahoam sag ich nur…
Eine lustige Anmerkung noch. Es war Faschingsdienstag. Um 13:15 Uhr rumpelte der Faschingszug direkt an unserem Haus vorbei. Etwas surreal, aber nicht störend. Wir hörten die Musik und bekamen mit, dass da „draußen“ etwas los ist, aber es störte in keiner Sekunde.
Die Geburt würde ich als kurz und heftig beschreiben. Die Hebammen meinten, sie war kurz und unkompliziert.