„Ein kurzer Augenblick“- Fehlgeburt in der 14. SSW

Der Moment in dem mir meine Frauenärztin sagte, dass mein Baby nicht mehr leben würde, war ein Schock und ließ mich innerlich erstarren. Ich hatte plötzlich eine totale Leere in mir. Diese mitleidigen Blicke, diese Informationen über „Statistik“, „Normales Geschehen“, „Kontaktdaten zur Ausschabung im Krankenhaus“, das alles ging völlig an mir vorbei und erreichte mich doch in meinem Unterbewusstsein auf grausame Art und Weise. Nicht minder schockiert war ich später, als Swantje mir am Telefon erklärte, dass ich nicht unbedingt gleich zur Ausschabung ins Krankenhaus müsse, sondern dass ich mir mit meiner Entscheidung Zeit lassen könne und ich auch die Möglichkeit habe, das Baby zuhause auf natürlichem Weg, zu verlieren. „Was soll ich da tun ?“ Ich war erstmal völlig überfordert mit alldem was ich da hörte.  In den folgenden 11 Tagen lernte ich zu verstehen, wie wichtig Swantjes Information war und ich war und bin trotz allem Schmerz unendlich dankbar für diese Zeit, die mir dadurch gegeben war. In diesen 11 Tagen, nachdem ich vom Tod meines Babys erfahren hatte, spürte ich von Tag zu Tag mehr, wie die Schwangerschaft meinen Körper verlässt. Es war natürlich oft völlig surreal, ein totes Baby im Bauch zu wissen und gleichzeitig einem irgendwie funktionierenden Alltag mit zwei fordernden Kindern (3 und 8) gerecht zu werden. Ich hatte große Angst. Angst, weil ich nicht wusste, was da auf mich zukommen würde. Angst davor, mein Baby wirklich gehen lassen zu müssen. Tage voller Tränen, vielen Gesprächen, Wut, Lähmung und Unsicherheit, aber auch Momente der Hoffnung und Zuversicht. Man muss ja auch täglich seiner Mutterrolle nachkommen. Den Kindern auch weiterhin Sicherheit vermitteln. „Es wird schon alles wieder gut“. Das ist in vielen Momenten sehr schwer, aber die Kinder helfen einem auch sehr dabei. Wir sind sehr offen mit Allem umgegangen. Natürlich dem Alter der Kinder entsprechend, aber es hat sich gezeigt, dass es für die Beiden ungeheuer wichtig und auch beruhigend war, dass sie wussten, warum Mama und Papa jetzt gerade oft sehr traurig sind und gleichzeitig haben wir ihnen gezeigt, dass es auch weiter geht und noch ganz viel Liebe und Freude da ist. Wir mussten uns natürlich auch Gedanken über das „Danach“ machen. Die Sternenkinder Grabstätte in Miesbach war für uns der richtige Ort.

Ende März war es dann an einem Samstagmorgen soweit. Es ging alles sehr schnell. Es war im Grunde fast wie eine Geburt. Es wird ja auch nicht zu unrecht „kleine Geburt“ genannt. Ich verlor etwas Fruchtwasser und ging dann zur Toilette. Nachdem einiges an Blut kam, wurde unsere kleine Malin (schwedische Aussprache) in der 14. SSW geboren. Zuhause geboren, wie schon ihre große Schwester. Das hatten wir uns auch für Malin gewünscht. Mein Mann hatte ihr ein kleines Nussbaumkästchen geschreinert. Darin legten wir sie auf weiche Naturwolle. Sehr oft werden diese winzigen Babys in ihrer Fruchthülle geboren. Unsere Malin hatte wohl andere Pläne. Sie wollte zeigen, wie schön man auch mit 4 cm sein kann. Sie sah aus, als würde sie lächeln. Alles dran, es hätte einfach nur noch wachsen müssen. Aber aus welchen Gründen auch immer, konnte ihr kleiner Körper das nicht.  Eine Nacht verbrachte Malin in ihrem Zuhause. Am nächsten Tag brachte mein Mann sie zum Bestattungsinstitut nach Miesbach. Und schon einen Tag später haben wir sie gemeinsam mit unserer Pfarrerin beerdigen können. Sie hat einen wunderschönen Segen für Malin gesprochen und wir alle, auch die Kinder, hatten die Möglichkeit, Abschied zu nehmen.  Danach sind wir mit unseren Beiden in die Eisdiele gegangen. Das Leben musste uns wieder haben. Die Kinder sollten genau merken, es geht weiter. Malin wird immer ein Teil von uns sein. Das eigene Kind zu verlieren, so winzig es auch gewesen sein mag, wie kurz auch nur der Augenblick der Begegnung war, verändert das ganze Leben.  Ich bin unendlich dankbar für die Zeit, die ich hatte. Die Möglichkeit, genau hinzuschauen, um dann die für uns richtige Entscheidung zu treffen. Ich bin dankbar, dass ich sie sehen durfte, ich bin dankbar für den kurzen Moment mit ihr in meiner Hand.

Danke an Swantje für ihre Unterstützung, ihre Ehrlichkeit, ihre Geduld, ihre Zeit.
Danke an Kick für ihre Gespräche danach und die Bestätigung.
Liebe Frauen, lasst Euch (wenn medizinisch nichts dagegen spricht) Zeit mit Eurer Entscheidung und lasst Euch von Niemandem vorschreiben, ob und wie lange ihr trauern „dürft“.

Karin, Juni 2017