“Just pressure out the baby“

Nein, des englischen bin ich schon mächtig 😉, aber dieser hilfreiche Hinweis eines lieben Freundes der Familie hat mich die ganze Schwangerschaft und während der Geburt begleitet. Unser kleines Wunder hat sich den Weg in unser Leben gebahnt und hat einen Platz in unseren Herzen erobert, von dem wir nicht wussten, dass er leer war. Für mich war ziemlich schnell klar, dass ich mein Baby zu Hause bekommen möchte. Der Wunsch war schnell zu einem Plan gereift und die Suche nach einer Hebamme, die dieses Ereignis mit uns gemeinsam rockt, war von Erfolg gekrönt – Ute hat terminlich Zeit und von Anfang an fühlte ich mich total wohl und sicher. Um mich herum wurden viele kritische Stimmen laut, die ich aber gekonnt ausblenden konnte und nur immer wieder schmunzelnd „just pressure out the baby“ antwortete. Nein, damit konnte ich die Kritiker nicht beruhigen, aber ich hatte meinen Spaß, und sie konnten ihre Zweifel ja für sich behalten. Pünktlich zur Morgendämmerung an unserem großen Tag wachte ich um 3:38 Uhr von einer starken Welle auf – wow, die See war heute wohl etwas rau und aufgewühlt… leise schlich ich mich aus dem Schlafzimmer, damit mein Mann noch weiterschlafen und ich ganz in Ruhe diesen besonderen Tag starten konnte. An der frischen Luft mit Blick Richtung Morgendämmerung wurde mir die Einzigartigkeit des Tages schlagartig so deutlich – so viel Vorbereitung ich auch bewusst in dieses Ereignis gesteckt hatte, so richtig verstanden habe ich es erst in diesen Momenten. Ab diesem Zeitpunkt muss ich zugeben, dass mein subjektiv zeitlicher Ablauf des Tages sich sehr deutlich von der realen Zeitmessung unterscheidet – ich verzichte daher lieber auf verwirrende Zeitangaben. Die Wellen blieben stark und die Abstände waren jetzt schon kurz… und so machte ich es mir auf dem Sofa so bequem es ging. Die innige Verbindung zu meinem Kind war so deutlich spürbar wie nie zuvor, die Vorfreude stieg ins unermessliche und nun mussten wir ja nur noch „just pressure out the baby“ schaffen – dieser Satz zauberte mir den ganzen Tag über immer wieder ein lächeln ins Gesicht! Der klingelnde Wecker meines Mannes holte mich kurz ins Hier und Jetzt zurück – so wollte ich ihm ja sofort erzählen, was heute für ein zauberhafter Tag werden würde. Er rief dann bald unsere Hebamme, die liebe Ute, an und ich konnte mich wieder auf uns konzentrieren. Mit Musik im Hintergrund nutzte ich die mittlerweile sehr kurzen Wellenpausen zur totalen Entspannung um diese in die heftigen Wellen mitzunehmen, richtig zu atmen und die Öffnung deutlich zu visualisieren. Immer wieder erstaunt über die Urgewalten, die hierfür freigesetzt und von unserem weiblichen Körper genutzt werden, konnte ich die Wellen so unglaublich feiern – das Ziel war schon so deutlich vor Augen. Mein Mann war stets an meiner Seite, flüsterte mir Zauberformeln ins Ohr, reichte mir Wasser, hielt meine Hände und war mir den ganzen Tag über eine grandiose Stütze. Und unsere Hebamme war auch so wunderbar. Ihre bestimmte aber ruhige und sichere Art half mir sehr, die Wellen zu nehmen, wie sie kamen und deren Wucht anzunehmen. Ich bat sie, mich zu untersuchen, wie weit der Muttermund bereits geöffnet ist – 6-7 cm, so kann es weitergehen. Mittlerweise war es Mittag vorbei, wo die Zeit blieb, war mir rätselhaft… Herztöne des Kindes wunderbar… Entspannung, bewusste und tiefe Atmung, Öffnung visualisieren. Ich bekam kaum mit, wenn die Herztöne abgehört wurden, wusste ich doch auch so, dass es dem Kleinen gut ging.

Meine Fruchtblase war noch immer intakt, wobei der Druck im Becken unglaublich groß wurde und ich die Wellen nicht mehr nur „veratmen“ konnte. Ich wollte vorfreudig und dringend mitpressen – war es doch bald geschafft. Unsere Hebamme untersuchte mich auf meinen Wunsch nochmal und der Muttermund war nahezu vollständig geöffnet. Die Positionen ständig ändernd, turnte ich gefühlt nur noch umher um eine angenehme Haltung zu finden – gar nicht so leicht und ohne meine beiden starken Felsen in der rauen See nicht schaffbar. Mein unterer Rücken und meine Symphyse bereiteten mir liegend zu viele Probleme und ich hatte das Gefühl, dass ich dann keine Kraft habe. Stehend? Schäferstand? Hocke? Sitzend? Ute hat mir viel vorgeschlagen und geholfen – ich begab mich dann aber doch wieder auf die Knie und lehnte mich nach vorne an meinen Mann. Mit all meiner Kraft pressend, spürte ich den Kopf des kleinen Wunders sich den Weg bahnend: vor, zurück, vor, zurück… kräftezehrend aber gleichzeitig so vorfreudig aufregend. Die Fruchtblase ging dann auch auf, was den Druck im Becken etwas verringerte. Welle um Welle spürte ich den Fortschritt. Irgendwie stockte es aber, der Kopf konnte die letzte Hürde nicht nehmen, so sehr ich auch die Öffnung visualisierte, atmete, presste und mehrmals die Position nochmal änderte, es ging nicht weiter vorwärts. Das Kind musste aber jetzt schnell geboren werden, Ute ertastete ein Kephalhämatom. Sie lagerte mich auf den Gebärhocker um, ein Versuch war es wert, und wir sammelten die ganze Energie nochmal für diese nächste Welle – es reichte aber wieder nicht. Die Dringlichkeit in ihrer Stimme war deutlich und ein kleiner Dammschnitt auch für mein Gefühl unumgänglich. Gesagt, getan und leider unglaublich schmerzhaft, damit habe ich wirklich nicht gerechnet. Mit der nächsten Welle wurde der Kopf geboren und die darauffolgende Welle brachte unser Kind auf die Welt. Sie legte mir um 15:15 Uhr unseren Sohn in die Arme: fast 3600g, 52cm lang, 37cm Kopfumfang. Die Geburt der Plazenta beachtete ich kaum, hatte ich doch nur noch Augen für das kleine, brüllende, perfekte Wunderwesen in meinen Armen. Nabelschnur auspulsieren lassen, abnabeln durfte mein Mann, Kind beruhigen, anlegen versuchen – so viel strömte auf mich ein, ein unvergleichlicher Rausch an Glückseligkeit. Der kleine Kerl demonstrierte sein lautes Organ weiterhin kräftig. Mein Mann bekam die Aufgabe das Kind zu beruhigen, ich musste ja noch genäht werden und es sollte nochmal mit mehr Ruhe angelegt werden. Meine beiden Männer kuschelten Haut an Haut neben mir auf dem Sofa und der kleine Mann konnte sich nun auch beruhigen, war es doch für ihn ebenfalls die größte Anstrengung seines Lebens. Ute nähte und versorgte mich und im Anschluss klappte das Anlegen auch schon viel besser – er trank seine ersten Schlucke. Die U1 war dann auch bald geschafft und wir konnten das erste Mal in unser Familienbett umziehen. Mittlerweile war es Abend und die Erschöpfung auch bei mir deutlich spürbar. Geschafft: „just pressure out the baby” war sehr erfolgreich 😉 Liebe Ute, deine Ruhe gab uns so viel Sicherheit. Die Geburt unseres Sohnes war ein rundum wundervolles Ereignis, welches ich teils immer noch nicht fassen kann – zauberhaft.

Vielen liebsten Dank!